Medizinische Wearables auf dem Vormarsch
Die Digitalisierung führt zu Veränderungen von Produkten und Dienstleistungen. Wie stark diese Entwicklung ist, zeigen Gesundheits-APPs. Denn sie stehen nicht nur für veränderte, innovative Produkte, sie haben auch das Potenzial für Medizintechnik Unternehmen, interessante, serviceorientierte Modelle im Gesundheitsmarkt platzieren zu können.
Gute Umsatzprognosen
Die Zunahme bei der Nutzung von telemedizinischen Produkten ist groß. Das liegt vor allem daran, dass die Produkte immer besser werden und Vitalwerte immer genauer und differenzierter analysieren können. Folglich steigt der konkrete Nutzen für die Kunden. Und das zeigt sich in den Umsatzprognosen des digitalen Gesundheitsmarkts weltweit. Bis 2020 soll das Marktvolumen des Wireless Health Sector laut einer statista-Studie von knapp 60 auf über 100 Milliarden US Dollar steigen.
Nutzer von Gesundheits-APPs differenzieren
Patienten bahnen den Weg
Bei Patienten, den Kunden der ersten Stunde von Wearables, ist die Bereitschaft telemedizinische Produkte und digitale Kommunikation zu nutzen durchweg positiv. Gerade bei Krankheitsbildern wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes gibt es bereits digitale „Hilfsmittel“, die den Alltag extrem vereinfachen helfen. Die Bereitschaft an Pilotprojekten teilzunehmen und auch eigene Kosten für solche Produkte aufzuwenden ist daher relativ groß.
Eigene Gesundheit ist höchstes Gut
Der größte Markt und Bedarf liegt bei E-Health-Produkten im Bereich Diabetes, Herzinsuffizienz und Bluthochdruck. So prognostizieren die "Digital Market Outlooks 2015", dass im Segment "eHealth-Anwendungen für Diabetes" die Anzahl der Nutzer weltweit im Jahr 2020 auf 13,7 Mio. anwachsen wird.
Bedeutung von Telemedizin für Ärzte
Krankenhäuser nutzen die Chancen
Auch Krankenhäuser stehen der Nutzung von E-Health-Anwendungen meist positiv gegenüber. Zum einen bieten sie Pilotstudien als Teil von Forschungsprojekten unter Einbeziehung von Gesundheits-APPss an, was ihnen große Datenmengen und so eine gute Forschungsgrundlage bietet. Zum anderen bietet die Telemedizin viele praktische Erleichterungen wie Live-Konsultationen sowie die bessere Überwachung und das Monitoring von Intensiv-Patienten oder die Begleitung von Patienten bei der Rehabilitation.
Ärzte holen langsam auf – Ausbau erwünscht
Bei der Gruppe der Ärzte gab es bislang die größte Skepsis gegenüber Telemedizin. Hier gibt es vor allem einen Unterschied zwischen niedergelassenen und im Krankenhaus tätigen Ärzten. Nach der Bedeutung von Telemedizin in der Zukunft befragt, gaben 2010 nur 10 Prozent der niedergelassenen Ärzte an, dass die Telemedizin stark zunehmen werde. Bei den Krankenhausärzten waren es immerhin schon 29 Prozent.
Doch auch hier hat sich mittlerweile ein Wandel vollzogen. 2016 sagten schon 47 Prozent der niedergelassenen Ärzte, dass sie den Ausbau der Telemedizin befürworten, bei den Krankhausärzten sind es da bereits 73 Prozent.
Artz-Patienten-Verhältnis im Wandel?
Einige Ärzte befürchten, das persönliche Arzt-Patienten-Verhältnis werde gestört oder gar in Zukunft durch die Telemedizin ganz aufgelöst. Immer mehr wird aber die Chance erkannt, das Arzt-Patienten-Verhältnis gerade durch den Einsatz von digitalen Angeboten zu professionalisieren und so die Entwicklung des Marktes mitzugestalten.
Möglichkeiten von e-Health nutzen
Gesundheits-Apps – vielversprechender Markt für Medizintechnik
E-Health-Angebote sind vielversprechend und das nicht nur wegen ihres großen Kundenspektrums: So liegt der durchschnittliche Erlös pro Nutzer beispielsweise im Segment "eHealth-Anwendungen für Diabetes" derzeit weltweit bei 62,80 Euro. Bis 2020 soll er auf 93,41 Euro steigen. Aber auch beim Kauf und Verkauf sind Wearables ein gutes Beispiel für digitalen Wandel.
Denn waren Fitness-Armbänder bislang noch Ausdruck für trendige Accessoires und steigendes Gesundheitsbewusstsein so ist die zweite Welle der Gesundheitsapps deutlich ernst zu nehmender. Bei der Sparte des sogenannten "Serious Health" geht es um hochspezialisierte Apps, mit denen sich Herzinfarkte erkennen lassen und Hirnströme oder Lungenfunktionen überprüft werden können. Dahinter stehen große Investitionen, viel Geld und letztendlich die Frage, ob Smartphones irgendwann den Besuch beim Arzt zum Teil ersetzen können.
Neuer Transaktionsmodelle: Pay-per-use
Niedergelassene Ärzte, MVZ, Krankenhäuser kalkulieren ihre Ausgaben mittlerweile schon zum Teil unter Berücksichtigung alternativer Finanzierungsmodelle (siehe Studie Siemens Financial Service). Anstatt medizinische Produkte und Geräte zu kaufen, bevorzugen sie das Modell Pay-Per-Use für die Anschaffung von teuren Medizingeräten und für den Einsatz von Wearables. Sie zahlen dann nur für die Nutzung der Geräte und können so Kosten besser kalkulieren. Darüber hinaus sind langfristig vor allem Finanzierungsmodelle gefragt, die neben den Anschaffungskosten auch mögliche Kosten für die Wartungen oder Upgrades von Anfang an mit einschließen.
Service und Wartung anbieten
Im Bereich der Wearables gibt es bereits vielfältige Kaufoptionen. Beim Cardiosecur zum Beispiel, einem Gerät für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, können die Kunden nach Erwerb des Geräts ein monatliches Abo für die Nutzung aller Funktionen und Messungen abschließen. Außerdem haben sie sogar die Option, die Werte an den behandelnden Arzt weiterzuleiten. So trägt der Patient durch seine Nutzung gleichzeitig zur weiteren Verbreitung des Gerätes bei Ärzten bei.
Das System Free Style Libre, das eine unblutige Gluscosemessung über einen Sensor ermöglicht, muss nach dem Erwerb eines Starterpaketes regelmäßig mit neuen Sensoren bestückt werden. So werden die Kunden aktiv an das Unternehmen gebunden. Außerdem bietet Free Style Libre Informationen und Fortbildungen für medizinisches Fachpersonal wie Diabetesberater an und erweitert dadurch seinen Kundenkreis.
Konsequenzen der Digitalisierung für MedTech-Unternehmen
Verschiedenste kleine Veränderungen und Entwicklungen zeigen, dass es für den Erfolg von Medizintechnik Unternehmen entscheidend sein wird, wie gut sie sich an die Gesetzmäßigkeiten der Digitalisierung anpassen können.
5 Tipps, wie Sie die Chancen der Digitalisierung nutzen:
- Kundenwünsche vorausdenken
Was altbekannt klingt, hat mehr Bedeutung denn je: Denn die Kundenwünsche beschleunigen im Bereich von Gesundheits-APPs die Entwicklungen enorm. Entsprechend vorausschauend müssen neue Geschäftsmodelle sein. Das kann etwa die Besetzung einer Marktnische sein, aber auch ein zusätzlicher Service oder das Einbeziehen bislang ungenutzter Ressourcen z.B. für ein digitales Blutdruckmessgerät. - Wissenstransfer einbeziehen
Weniger ist mehr: Innovationen können nicht von Beginn an perfekt sein. Durch die Einbeziehungen von Kundenbewertungen und Feedback von Händlern und Käufern treiben Sie die Entwicklung und Perfektionierung Ihrer Medizinprodukte weiter voran. - Mehr Flexibilität beim Kauf und transparente Kostensysteme
Kunden erwarten mehr Flexibilität beim Kauf und bei der Nutzung von Produkten. Je müheloser intelligente, digitale Systeme Menschen und Produkte verbinden, desto größer werden auch die Anforderungen bei der Bedienung, Nutzung und beim Erwerb von Produkten. Ob Pay-Per-Use, Leasing oder Kauf, immer stärker werden hier auch Wartungsservice und Ersatzteile als selbstverständlich angesehen. - Personalisierung: Mehr Flexibilität beim Produkt
Kundenwünsche ernst zu nehmen kann auch bedeutet, den Kunden mehr Freiraum für individuelle Anforderungen zu geben. Geben Sie Ihren Kunden die Möglichkeit, das Produkt für sich so passgenau wie möglich zu "schneidern", z.B. mit Bausteinsystemen und einer flexiblen Produktpalette. - Kreative Kommunikation: Health Care Marketing
Die digitalen Entwicklungen ermöglichen, dass Menschen und Produkte kommunizieren und kooperieren. Nutzen Sie diese Möglichkeiten und die daraus entstehenden Schnittstellen effektiv für Ihr Marketing. Nie war es leichter, potenzielle Kunden zu erreichen. Mit einer gezielten Marketingstrategie rücken Sie Ihre Produkte und Dienstleistungen gezielt ins rechte Licht.
Offenheit für innovative Geschäftsmodelle
Allein auf die organische Weiterentwicklung von Dienstleistungen zu bauen, reicht in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr aus. Nur durch interessante, serviceorientierte Modelle ist ein Absetzen von anderen Anbietern möglich.
Im Bereich der Medizintechnik und E-Health Produkte gilt es darüber hinaus, die verschiedenen Gruppen von Patienten/Kunden, Ärzten und Krankenhäusern effektiv zu erreichen und zu überzeugen. Um das Tempo der digitalen Disruption mitzugehen, müssen sich HealthCare Unternehmen für flexible Innovationen öffnen und ihr HealthCare Marketing anpassen.
Quellen:
Abstract: Digital Disruption - Wie Sie Ihr Unternehmen auf das digitale Zeitalter vorbereiten
Kurt Matzler, Franz Bailom, Stephan Friedrich von den Eichen und Markus Anschober
Vahlen Verlag © 2016
Abstract: Geschäftsmodelle entwickeln- 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler
Business Model Navigator, Oliver Gassmann, Karolin Frankenberger und Michaela Csik
Hanser © 2013
https://shop.cardiosecur.com/de/#product-53
https://de.statista.com/outlook/314/100/diabetes/weltweit#market-users
https://de.statista.com/outlook/312/100/ehealth/weltweit#market-users
Spiegel-Artikel 29/2017: App auf Rezept
https://magazin.spiegel.de/SP/2017/29/152163705/index.html